Eigentlich mochte Lee Kaffee nicht so wirklich. Ihn zubereiten konnte er schon gar nicht. Und von Vertrieb und Marketing hatte er auch keinen blassen Schimmer. Trotzdem zählt das Akha Ama Coffee mittlerweile zu den beliebtesten Cafés in Chiang Mai. Und sein Kaffee zu den besten Kaffees der Specialty Coffee Association of Europe.
Das Akha Ama Coffee liegt ein wenig versteckt in der Nebenstraße Nummer 3 der Hussadhisewee Road. Der Weg zur Theke führt über die offene, zugewachsene Terrasse, auf der die bunt gemischte Kundschaft entspannt ihren Kaffee in der Sonne genießt. Ab und zu tuckern ein paar Motorroller vorbei und unterbrechen das ruhige Stimmengemurmel in verschiedensten Sprachen. An den Wänden der kleinen, bunt gestrichenen Innenräume reihen sich auf einfachen Holzbrettern Kaffeemühlen, Geschirr und ein paar japanische Winkekatzen aneinander. Auf den Holzhockern daneben arbeiten ein paar Leute konzentriert an ihren Laptops.
Mit seinem pechschwarzen Bubikopf und dem locker sitzenden Karohemd passt Lee perfekt ins hippe Bild seines Cafés. Auf den ersten Blick ist es ein wenig schwer vorzustellen, dass er eigentlich aus Maejantai stammt, einem kleinen ländlichen Dorf in der Provinz Chiang Rai im Norden Thailands.
Als Einziger seines Dorfes bekam er alle nur denkbare Unterstützung, um studieren gehen zu können. „Ich habe so ziemlich alles bekommen, was man sich im Leben nur wünschen kann. Aber immer, wenn ich nach Hause zurückgekommen bin, habe ich die Schwierigkeiten gesehen, in denen die Leute dort stecken. Das Einkommen auf dem Land ist sehr gering. Deswegen ist es schwer, die Kinder auf höhere Schulen zu schicken. Die Schulen sind weit weg. Du musst für die Unterkunft zahlen, für die Verkehrsmittel, für die Verpflegung, für die Schule selbst… das ist nicht gerade einfach! Die Leute dort sind sehr talentierte Farmer, aber sie haben kein Wissen darüber, wie sie ihre Produkte fair und zu guten Preisen vertreiben können.“
Also nutzte er die Chance, studierte Englisch und jobbte als Praktikant bei internationalen NGOs in Chiang Mai, um irgendwann etwas zurückgeben zu können. Von all den Produkten, die in seiner Heimat angebaut werden, erschien ihm Kaffee als das aussichtsreichste, um ein gutes Einkommen für die Familien dort zu erzielen. Kein Wunder, wenn man überlegt, dass Kaffee nach Erdöl als eines der wichtigsten Produkt auf dem Weltmarkt gehandelt wird.
Chiang Mai entpuppte sich schon ganz am Anfang als der genau der richtige Ort für Lees Pläne. „Ich habe ich es nie gemocht, Bücher zu lesen. Meine Noten waren schlecht… wirklich ziemlich schlecht! Ich liebe es, mit Menschen zu reden und direkt von ihnen zu lernen. Du willst etwas über Kaffee lernen? Über Lifestyle? Über Business? In Chiang Mai wirst du immer die richtigen Menschen treffen, von denen du lernen kannst. Einen großen Teil meines Wissens über Entwicklungshilfe und Vertrieb habe ich durch unzählige Gespräche mit dem pensionierten Schweizer Banker-Pärchen gelernt, für deren NGO ich gearbeitet habe.“
Und obwohl Chiang Mai für unsere Verhältnisse eher ein kleines, beschauliches Städtchen ist, kann es sich mehr als sehen lassen. Innerhalb des Altstadtrings und rund um die Nimmanhaemin Road übertreffen sich Cafés, Restaurants und Bars gegenseitig in puncto Design und Coolness-Faktor und ziehen so ein nicht minder hippes Publikum aus aller Welt an. Die wahrscheinlich wichtigste Gemeinsamkeit dieser bunten internationalen Mischung für Lee: das Kaffeetrinken.
Am Anfang wollte Lee den Kaffee aus seiner Heimat einfach nur verkaufen. Aber nachdem immer mehr Leute ihm in den Ohren lagen, dass sie ihn wirklich gerne unterstützen würden, aber zu Hause keine passende Maschine hätten, ließ er sich überzeugen, sein kleines Büro zum Café auszubauen. „Wir haben ganz klein angefangen. Wir hatten nur eine kleine Kaffeemaschine und ein paar Tassen. Wenn wir fünf Kaffees gemacht haben, mussten wir zwanzig Minuten warten, bis die Maschine wieder aufgeheizt war. Und vom Barista war ich meilenweit entfernt. Der einzige Kommentar meiner Freunde war: „Lee, das ist nicht dein Ernst?“ Also haben sie Geld zusammengelegt und mich zu einem Barista-Kurs nach Bangkok geschickt. Ich hatte ja genug Zeit. Wenn fünf Leute am Tag im Café vorbeigekommen sind, war das viel! Nach dem Kurs bin ich zurückgekommen und auf einmal war alles anders.“
Mittlerweile ist das Akha Ama Coffee auf mehr als das Fünffache seiner ursprünglichen Größe gewachsen. Neben der großen Kaffeeauswahl gibt es Kuchen und Muffins, die die Besitzerin des Hauses jeden Tag frisch für Lees Café bäckt. Und am Rand der Terrasse warten vom Sonnenlicht mit Kaffeesäcken abgeschirmte Kaffeepflanzen-Zöglinge darauf, ihre Reise zu den Farmern anzutreten. Die Büroräume, in denen die Bohnen in die liebevoll bedruckten Papiertüten verpackt werden, verbergen sich nun hinter dem Café. Geröstet werden sie in der eigenen Rösterei hinter Lees zweitem Café, ganz in der Nähe des Wat Phra Singh Tempels.
Chiang Mai ist für Lee auch heute noch der perfekte Ort, nicht nur wegen seines Cafés. „Du willst urban? Du willst ländlich? Du willst teuer shoppen? Du willst günstig leben? Chiang Mai bietet dir alles. Und Chiang Mai ist eine globale Stadt. Ich habe Freunde aus den verschiedensten Ländern, die hier leben und von hier aus arbeiten. Ich liebe spannende Menschen, ich liebe gutes Essen und ich liebe Kaffee. Das alles findest du in Chiang Mai. Ich habe nicht das Bedürfnis, irgendwo anders hinzugehen.“
Wo genau man das gute Essen und den Kaffee in Chiang Mai findet, hat Lee uns natürlich auch verraten:
Selbstverständlich steht thailändisches Essen ganz oben auf der Liste. Nicht die ganzen fancy Restaurants für Touristen, sondern die Orte, zu denen die Einheimischen gehen. Lees Favoriten sind typische Gerichte aus dem Norden Thailands. Bei Lap Kei Sathitham findest du Spezialitäten mit Hühner- oder Schweinehackfleisch und Gerichte mit Klebreis. Oder du bestellst dir ein gutes Na Gai bei Huen Muan Jai, nicht weit von Akha Ama Coffee entfernt.
Wenn du doch lieber auf europäisches Essen setzt (oder es vermisst), solltest du für gute Pizza und Pasta bei Lucas Restaurant La Lanterna di Genova in der Nähe des Taipeh Gate vorbeischauen.
Und obwohl die Speisekarten der meisten Restaurants oft vor Fleisch- und Fischgerichten überquellen – Vegetarier sind in Chiang Mai nicht verloren. Beim Anblick des Menüs von Bird’s Nest bekommst du schnell leuchtende Augen. Und in der Nähe der Nimman Road ist Anchan die mit Abstand beste vegetarische Adresse. Falls gerade das Massaman Curry oder Tempeh auf der Karte steht – zugreifen und sich einen Apfel-Zimt-Eistee dazubestellen.
Für’s Dessert solltest du von Anchan aus in Richtung Suthep Road zum Chiang Mai University Art Center laufen. Hier findest du in der kleinen Lehmhütte das DinDee, ein japanisches Café und Restaurant. Lees Tipp: Der frittierte Reis mit Lotuswurzel und der Cheesecake.
Und wenn Lee seinen Kaffee mal nicht im eigenen Café trinken möchte, sind das Ristr8to auf der Nimmanhaemin Road, das Ponganes Espresso in der Altstadt und das Khagee am Flussufer für ihn die besten Adressen.
Die Fotos sind zum niederknien, immer wieder toll!
Das Café schauen wir uns mal genauer an, wenn wir vor Ort sind! Vielen Dank für den Tipp.
Matt
Vielen lieben Dank dir, ich werde rot!
Hab eine schöne Zeit in Chiang Mai, bin gespannt, wie es dir gefällt!
Wow ein sehr schöner Artikel mit wundervollen Bilder. Mein Traum ist mal so eine Kaffeesorte in exclusiver und geringer Menge zu vertreiben. Und nicht dieser industrialisierte Massenkaffee.
Ich finde solche einzelnen Leute sollten viel mehr unterstützt werden…stattdessen wird nur noch auf den
Preis geachtet und von den großen Firmen das billigzeug gekauft.
Danke schön Julian! Seh ich genauso, würde auch in Chiang Mai jeden zu Lee schicken. Hoffe, ich stoße noch in mehr Städten auf solche Geschichten, dann werde ich natürlich berichten.