San Francisco – Eine Momentaufnahme

Es ist kurz nach Mitternacht, Donnerstagabend. Zigarettenrauch verflüchtigt sich in der warmen Luft. Sommerabendgefühl, dabei ist es doch erst März. Partyvolk zieht an uns vorbei, durch die Straßen von San Francisco, herausgeputzte Typen und Frauen auf hohen Hacken. Unsere Haare hingegen fallen wirr ins Gesicht, Lachfältchen um die müden Augen.

Mir gefällt der Gedanke, dass wir verwegen aussehen, viel verwegener als wir uns wahrscheinlich fühlen, denn eigentlich sind wir nur müde vom ständigen Weiterziehen und ein bisschen berauscht vom Moment und von schlechtem amerikanischem Bier.

Er streicht sich mit der Hand durch das gelbe Haar, wieder und wieder, die sonnenbrandgerötete Nase rümpft er, wenn ihm etwas missfällt, und schlingt die Arme um den Bauch, wenn er sich nicht mehr halten kann vor lachen. Er sieht jung aus, viel jünger als er ist, und sein französischer Akzent würde noch das standhafteste Mädchenherz rühren. Wie heißt er? Pierre. Natürlich. Neben ihm, zwei Jungs aus Colorado, oder sollte man Männer sagen? Der eine witzig und laut, der andere still und irgendwie unsicher. Ein Kanadier komplettiert die Runde, später kommt noch eine Gruppe deutscher Mädchen dazu, die sich verbiegen, damit Pierre ihnen nur eine Sekunde Aufmerksamkeit, vielleicht sogar ein schiefes Lächeln schenkt.

Ich beobachte die Szene und denke bei mir, dass dies wohl immer meine Lieblingsmomente beim Reisen sein werden. Die verschiedenen Menschen, die absurden Konstellationen, die sich ergeben, wenn man sie aufeinander treffen lässt, an so einem Abend irgendwo auf der Welt, und vielleicht noch ein bisschen Rotwein darunter mischt.

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Es ist die dritte Station unseres Trips durch die USA. Eine weitere Großstadt, die wir hier besuchen und vielleicht sogar die verheißungsvollste. San Francisco, der Ort, an dem derzeit irgendwie alle sein wollen. Aufregend, bunt, voller Möglichkeiten, entspannter als New York City und nicht so ein Raubtier, als das man sich Los Angeles manchmal vorstellt. Wärmer, zudem. Vielleicht habe ich gedacht, man würde beim Eintritt in die Stadt automatisch einen Blumenkranz fürs Haar gereicht bekommen und schäme mich im selben Moment schon wieder über so viel Klischeedenken.

Von Los Angeles kommen wir her, die Nasenspitze an die kalte Autoscheibe gedrückt, über den Pacific West Highway, während links von uns das Meer an die Küste spült und sich rechts grüne Hügel erheben. Meine Freundin Adriann hält das Lenkrad mit beiden Händen und summt zu einem Lied von Beyonce. Manchmal deutet sie auf eine der riesigen Villen mit den Fensterfronten zum Meer und erklärt „Dort wohnt übrigens…“. Doch schon nach wenigen Tagen in und um Los Angeles zeigt man sich kaum noch beeindruckt von den Namen der Stars und Sternchen, von denen jeder hier in der Ecke irgendwo ein Haus hat oder ein Apartment und einen Stammplatz im Café um die Ecke.

Am frühen Abend sind wir am Ziel angekommen, mit drei Taschen und haufenweise Erwartungen im Kofferraum unseres Leihwagens. Die Dämmerung hat schon eingesetzt, als wir die Golden Gate Bridge erspähen. „Ach, du Scheiße, wir sind ja wirklich in San Francisco“, ruft meine Freundin Lena und hält die Nase in den Wind. Die Scheinwerfer der Autos werden in meiner Kamera zu hellen Lichtflecken.

San Francisco ist grauer als ich es mir vorgestellt hatte, aber man hatte uns schon vorher erzählt, dass sich an fast jedem Tag ein Schleier über die Stadt legt. Und dass man sich erstmal gewöhnen muss daran, wenn man am Vortag noch die bunten Farben von Venice Beach um sich hatte, die Hitze, den Sonnenschein. Doch kaum etwas kann meinen Enthusiasmus bremsen, ich bin in der Stadt der Beatniks, der Althippies, hier will ich für immer in ranzigen Bars sitzen und schwarzen Kaffee trinken, während ich manisch Ideen in Notizbücher kritzele. Ich will mit den Geistern von Jack Kerouac und Allan Ginsberg eine Barschlägerei anzetteln, sowas halt.

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Und so überrennen wir die Stadt gleich mit unserer Aufforderung, doch bitte die Offenbarung zu sein, die uns all die Menschen verhießen, die schon vor uns da waren und mit glänzenden Augen in die Ferne schauend „Hach ja, San Francisco.“ seufzten.

Die Stadt hingegen scheint unsere Beharrlichkeit zunächst nicht zu interessieren, sie lässt sich Zeit ihre Magie zu offenbaren und nimmt den Umweg über so einige abstruse Situationen, über finstere Gestalten und den mühsamen Versuchen, sich entgegen der Touristenmassen zu bewegen.

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Doch dann? Verfalle ich diesem Ort schnell und unaufhaltsam. Der Stadt, in der sich die Straßen wellenartig ihren Weg bahnen, so dass man gelegentlich ganz schön aus der Puste kommen kann, jedoch ebenso regelmäßig mit umwerfenden Ausblicken belohnt wird.

Der Haight Street mit ihren Cafés und dem latenten Geruch von Gras, der über allem liegt. Den Vintageläden, in denen man tatsächlich noch ein Schnäppchen machen kann. Den Erinnerungen, wie wir im Golden Gate Park sitzen, Erdbeeren essen und die nackten Füße im grünen Gras vergraben. Beim nächtlichen Beobachten der Seehunde am Pier. Beim Stöbern im City Lights Bookstore und im Caffé Trieste, wo ich an meinem Kaffee schlürfe und die beiden Schauspieler beobachte, wie sie am Nachbartisch ein Shakespearestück einüben. Und plötzlich so ein dämliches Grinsen im Gesicht habe, weil einfach gerade alles passt.

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„Maybe I’ll find love in San Francisco“ singt Stu Larsen im gleichnamigen Song und mich beschleicht das Gefühl, dass er damit vielleicht gar nicht irgendeine ominöse Frau gemeint haben könnte, sondern vielmehr das Gefühl, das einen hier früher oder später überkommt.

Love, Peace und Rock’n’Roll eben.

 

 

Meine Lieblingsorte in San Francisco

 

 

City Lights Booksellers & Publishers
Der ideale Ort für Bücherwürmer & all jene, die mehr über die Beat Generation erfahren wollen. Lädt ein zum stundenlangen Stöbern:

Japanese Tea Garden
Gelegen mitten im Golden Gate Park (Achtung, kostet extra!) ist es der ideale Ort, um vom Großstadtleben auszuspannen, sein Zen zu finden und in dem angegliederten Café einen Jasmintee mit Blick ins Grüne zu trinken.

Café Cole
Kleines gemütliches Café in einer Nebenstraße der Haight Street. Leckerer Kaffee, freundliche Menschen. Ideal, um stundenlang Menschen zu beobachten.

Static
Für alle Vintage Liebhaber ist die Haight Street die ideale Adresse. Dieser Laden ist einer meiner Favoriten, es gibt viele einzigartige Teile zu entdecken und fair sind die Preise auch.

Caffe Trieste
Nicht unbedingt stylisch, dafür geschichtsträchtig: Hier tranken schon Hemingway und Kerouac ihren Café. Auch sitzen hier oft spannende Gäste, die man stundenlang beobachten könnte.

Pier 23 Cafe
Leckeres Essen, ausgelassene Atmosphäre und toller Blick auf das Wasser. Auf Wunsch werden viele Speisen auch vegetarisch zubereitet.

Lombard Street
Sehr touristisch, aber einfach cool anzusehen ist der kurze, extrem gewundene Teil dieser Straße (zwischen Hyde St und Leavenworth St) – ein Muss für alle Fotografen auf der Jagd nach coolen Motiven.

 

Du möchtest mehr Momentaufnahmen aus San Francisco und aller Welt?

Auf Of Roots and Roads kannst du schon bald wieder all die anderen wundervollen Texte und Bilder von Gina bestaunen. Gerade wird noch fleißig hinter den Kulissen der Seite gewerkelt, um sie noch schöner zu machen, als sie unserer Meinung nach sowieso schon war. Aber kein Grund zur Panik, denn auf Facebook und Instagram wirst du in der Zwischenzeit weiter mit allen Neuigkeiten und optischen Leckerbissen versorgt. Schau vorbei, ihre Seite gehört schon längst zu unseren Lieblingen!

Ein Kommentar zu “San Francisco – Eine Momentaufnahme”