Stadtkinder – Stefanie aus Hannover

Dass Hannover viel besser ist als sein Ruf, wissen wir ja bereits. Das geht übrigens nicht nur uns so. Bei einem Stück selbstgemachten Kuchen haben wir uns mit Stefanie Schönwald in ihrem Café darüber unterhalten, wieso Hannover für sie mittlerweile zur Heimat geworden ist, dass eine zünftige Brotzeit wohl doch eher in den Süden gehört und was die Lindenstraße und die Oststadt gemeinsam haben.  

Wie bist du zu deinem Café hier in der Oststadt Hannovers gekommen?

Ich bin schon seit acht Jahren in Hannover und habe hier die Hotelfachschule besucht. Danach wollte ich erst raus aus der Gastronomie und irgendwas mit Marketing oder was Kreatives machen. Ich habe dann aber relativ schnell festgestellt, dass man mit zwei Jahren Betriebswirtschaft mit Schwerpunkt Hotellerie und Gastronomie über ein Praktikum nirgends reinkommt.

Unbezahlt zu arbeiten konnte ich mir nicht leisten. Also kam ich am Ende doch wieder zurück in die Gastronomie und dachte: “Dann mache ich mich eben selbständig!“ Ich habe lange gesucht, um etwas Kleines zu finden und bin irgendwann über diesen Laden hier gestolpert. Es hat ewig gedauert, bis ich den Zuschlag bekommen habe. Dann dachte ich: „Oh nein, jetzt musst du es tatsächlich machen!“ Und mittlerweile bin ich seit sechs Jahren dabei.

Hast Du immer schon in der Gastronomie gearbeitet?

Immer! Ich hab’s tatsächlich gelernt. Nach dem Abitur hatte ich keine Lust zu studieren, bin nach Bayern gegangen und habe eine Ausbildung zur Hotelfachfrau gemacht. Danach habe ich dort ein paar Jahre gearbeitet, aber irgendwann wollte ich raus und was anderes machen. Irgendwie bin ich nach Hannover gekommen und habe auf einmal an der Hotelfachschule zwei Jahre lang ein ganz geregeltes Leben gehabt – mit Sommerferien und freien Wochenenden.

Mit dem Café bin ich jetzt wieder voll drin. Hier kann ich alles machen. Hier mache ich das Marketing. Hier kann ich kochen und backen. Hier bin ich für die Gäste da. Wir entwickeln immer wieder neue Ideen. 2013 kam das Café im Landesmuseum dazu. Seitdem sind wir ein kleines festes Team. Es macht viel Spaß, aber es ist auch Arbeit ohne Ende.

War es Zufall, dass du das Café genau hier eröffnet hast oder hast Du dir den Standort bewusst ausgesucht?

Ich habe schon bewusst geguckt. Ich wohne in der Südstadt, das Viertel wäre für mich auch in Frage gekommen. Linden ist multikulti, das muss man mögen. Ich gehe dort immer gerne was trinken, aber dann brauche ich es doch wieder etwas beschaulicher, so wie in der Südstadt oder der List. Ich musste auch lernen, dass der Standort hier schon Oststadt ist und nicht die List. Es war schon wichtig für mich, in so einen Stadtteil zu kommen. Ich lege Wert darauf, was ich koche und woher ich meine Produkte beziehe. Dafür muss man schon im richtigen Stadtteil sein, in dem die Leute das auch mögen. Daher hat es mich in die Oststadt verschlagen.

Wie würdest du das Viertel hier beschreiben?

List und Oststadt sind eher Akademiker-Viertel, hier gibt es viele Anwälte, Lehrer und und und… Wobei man merkt, wie sich das in den letzten Jahren gewandelt hat. Dass es hier auch ein anderes Klientel gibt. Aber grundsätzlich fühle ich mich hier total wohl, es ist wie in der Lindenstraße hier (lacht). Es ist wirklich verblüffend, seit sechs Jahren laufen hier die gleichen Leute vorbei. Jeden Tag! Seit sechs Jahren die gleichen Gäste.

Wenn man etwas wissen will, kann man mich fragen. Wenn ich es nicht weiß, gehe ich in den Kiosk gegenüber und frage nach, was passiert ist. Obwohl hier so eine Dichte ist, kennen sich viele Leute untereinander. Das finde ich verblüffend für so einen Stadtteil. Hier weiß jeder alles.

Stadtkinder – Stefanie Schönwald, Schönwald's Hannover | Stilnomaden

Macht es das für dich ein wenig heimelig, immer die gleichen Gäste zu haben?

Ja, ich habe wirklich tolle Gäste. Viele, viele Stammgäste! Ohne die würde es auch nicht funktionieren, wenn man so einen kleinen Laden hat. Deswegen ist es wichtig, dass ich viele Stammgäste habe und sie das auch weitertragen.

Hast du eine bestimmte Zielgruppe oder sind deine Gäste eine ganz bunte Mischung?

Ja, es ist eine bunte Mischung. Ich finde es toll, dass ich überhaupt nicht sagen kann, was meine Zielgruppe ist. Drüben ist ein Seniorenstift, da kommen die Omis zum Kaffeetrinken. Die Studenten zum Frühstück. Und mittags kommen Anwälte oder Leute aus den umliegenden Büros. Es ist echt quer durch die Bank. Das finde ich toll, dass man nicht so festgefahren ist oder irgendeinen Trend mitmachen muss, sondern es ganz vielfältig ist.

Was war deine Idee hinter diesem Laden?

Bis August letzten Jahres hießen wir noch „Cafe Fofftein“. Ich kam ja aus Bayern und wollte unbedingt etwas mit Brotzeit machen, mit verschiedenen Brotvariationen und so weiter. Dann habe ich aber festgestellt: „Norddeutschland und Brotzeit, das passt einfach nicht zusammen.“

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Warum nicht?

Weil das so ein typisch bayrischer Ausdruck ist. Eine Brotzeit auf der Alm oder sowas. Ich komme gebürtig aus Siegen und bin dann nach Bayern. Dieses „Brotzeit machen“ ist typisch für Bayern.

Was bedeutet „fofftein“ genau?

Es bedeutet „fünfzehn“. Das sagt man so unter den Hamburger Hafenarbeitern. „Fofftein mooken“ sind die 15 Minuten Frühstückspause. Das fand ich so treffend und habe im Laufe der Jahre festgestellt, dass es für die Leute, die es nicht kennen, viel zu schwierig ist. Am Telefon verstehen sie das Wort nicht. Jeder spricht es anders aus.

Als das andere Café im Landesmuseum dazu gekommen ist, haben wir uns entschieden, die beiden Cafés gleich zu nennen und alles einheitlich zu machen. Deswegen heißen wir jetzt Schönwalds. Ich bin immer noch begeistert von der Idee mit der Brotzeit. Gutes Brot mit verschiedenen Aufstrichen und Dips und in verschiedenen Variationen. Aber der Grundgedanke hat so nicht funktioniert und ich habe mich einfach immer weiter entwickelt.

Wie hat sich dein Konzept verändert?

Unser Slogan ist „Frühstück, Mahlzeit, Kaffeegenuss“. Das sind unsere drei Säulen. Wir haben ein tolles Ankreuz-Frühstück. Du kannst dir alles ganz individuell zusammenstellen, wie du es gerne magst – neben dem normalen Frühstücksmenü. Dann einen kleinen Mittagstisch mit einer Standardkarte und einem Angebot, das zweimal die Woche wechselt. Und eben Kaffee und Kuchen. Ich lege ganz viel Wert darauf, immer alles selbst zu machen, soweit es irgendwie geht. Und die Leute wissen das zu schätzen. Wir arbeiten kontinuierlich daran und versuchen, immer wieder etwas Neues zu machen.

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Was ist das Beste daran, einen eigenen Laden zu haben?

Das zu machen, was man möchte. Frei entscheiden zu können. Gastronomie heißt einfach, viel zu arbeiten, auch am Wochenende. Egal wo ich gearbeitet habe, hatte ich immer meine zehn, zwölf Stunden am Tag. Ich wollte es irgendwie anders machen mit meinem Team zusammen. Ich sage immer, es sind meine Kollegen, nicht meine Mitarbeiter. Wir entscheiden im Team, was wir gut finden und was wir machen. Und… das macht Spaß! Du bedienst alle Felder. Du bist nicht nur im Service angestellt oder nur in der Küche. Bei uns sind die Übergänge fließend. Vom Putzen bis zum Kochen oder Bedienen: Jeder muss alles machen.

Hast du trotzdem einen Bereich, in dem du am liebsten arbeitest?

Ich koche und backe sehr gerne. Das hat sich aber erst über die letzten Jahre entwickelt. Ich habe im Service-Bereich gelernt und alle Stationen durchlaufen, bin aber in der Küche nie wirklich an das rangelassen worden, was man dort tatsächlich macht. Aber meine Köchin hier hat sich irgendwann aus dem Staub gemacht. Sie ist einfach nicht mehr wiedergekommen. Ich dachte nur: „Okay, was machst du denn jetzt? Du musst es selber machen!“

Und dann habe ich mich über die Jahre einfach reingearbeitet. Im Landesmuseum haben wir einen gelernten Koch, von ihm lerne ich immer noch sehr viel und gucke mir einiges ab. Das macht Spaß, das könnte ich den ganzen Tag machen!

Wie waren die ersten Kochversuche?

Ich würde mal sagen, ich hatte schon Grundkenntnisse im Kochen. Aber es ist natürlich etwas Anderes, wenn du zu Hause mal ein paar Freunde bekochst oder wenn auf einmal die Leute ihre Mittagspause im Café machen und bei dir irgendwas bestellen. Am Anfang habe ich schon gefragt: „Schmeckt es? Alles in Ordnung? Wirklich?“ Da ist schon so eine gewisse Unsicherheit gewesen. Die kann ich auch bis heute nicht immer ganz ablegen, wenn ich etwas Neues ausprobiere. Aber die Leute sind immer zufrieden und kommen, weil wir immer alles selber kochen. Das schmeckt man einfach.

Stadtkinder – Stefanie Schönwald, Schönwald's Hannover | Stilnomaden

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Gibt es einen Favoriten unter deinen Gerichten?

Meine Currys. Ich weiß nicht warum. Meine Currys und Quiches sind unsere Verkaufsrenner. Die sind immer ganz schnell ausverkauft.

Hast du momentan irgendeine Zutat, mit der du am liebsten arbeitest?

Das kann ich gar nicht pauschal sagen. Kräuter finde ich super. Und alles, was mit den Currys zu tun hat. Zitronengras, Kokosmilch, …

Und ansonsten: Kaffee oder Tee?

Tee.

Tee?

Ja, ich trinke keinen Kaffee.

Du trinkst keinen Kaffee und hast ein Café?

Ja, das war sehr spannend, als ich meine Kaffeemaschine gekauft habe. Ich hab ja nie offen gesagt, dass ich keinen Kaffee trinke. Ich wusste, wie man ihn macht, aber wie er schmeckt? Ich trinke auch keine Milch, deswegen kann ich es mir noch nicht mal mischen. Ich habe einfach immer alle gefragt: „Hier probiert mal, was meint ihr?“ Also ja, definitiv Tee (lacht).

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Wie kam es eigentlich zu deinem zweiten Laden im Landesmuseum?

Ich habe das in einer Anzeige gelesen. Es stand gar nicht wirklich viel drin. Außer, dass sie einen neuen Pächter für das Café im Landesmuseum suchen. Dann habe ich zu meiner Freundin gesagt: „Guck mal, da könnte man doch mal nachfragen!“. Ich habe einfach eine E-Mail geschrieben. Für mich war es wichtig, mich zu vergrößern und weiterzukommen.

Und auf einmal saß der Betriebsleiter des Museums hier samstagmittags beim Essen und hat gesagt, er wolle sich das mal angucken und mir ein bisschen was erzählen. Dann habe ich mein Konzept eingereicht und bin aus über 15 Bewerbern ausgewählt worden.

Aber mit der Voraussetzung, dass die Brüder meiner Freundin beide aus der Gastronomie kommen, der eine eben Koch, der andere Restaurantfachmann. Ohne die beiden hätte ich es nicht gemacht. Für mich war klar: Der Laden hier ist meine Basis, aber ich kann nicht überall sein und brauche jemanden, dem ich das zweite Café anvertrauen kann. Jetzt arbeiten die beiden da drüben und meine Freundin mittlerweile auch. Das ist perfekt und ergänzt sich sehr gut.

Ist Hannover für dich mittlerweile Heimat geworden?

Ja, auf jeden Fall. Für mich war klar, ich werde nicht mehr nach Siegen zurückgehen und habe mir hier etwas aufgebaut. Ich fühle mich hier sehr wohl und mag Hannover. Ich bin 2006 hergekommen zur WM. Es war ein Traumsommer und der perfekte Einstieg, um die Stadt kennenzulernen. Du warst gleich mittendrin. Die Leute waren so gut drauf. Alles hat sich nur auf der Straße abgespielt. Du warst überall beim Public Viewing. Du hast diese Stadt in einer totalen Euphorie erlebt. Das ist irgendwie hängengeblieben. Die in den Bergen haben alle zu mir gesagt: „Du bist doch in drei Monaten wieder zurück, das hält doch keiner aus da oben!“ Aber dieser Start hat dazu beigetragen, dass ich gedacht habe: „Boah, Hannover ist echt eine tolle Stadt!“ Die Leute sind sehr aufgeschlossen. Man eckt überall mal an, aber das passiert, glaube ich, in jeder Stadt.

Was sind deine persönlichen Lieblingsecken?

Ich bin gerne in der Südstadt, wo ich auch wohne. Hier im Café arbeite ich halt, aber ich bin froh, abends nach Hause fahren zu können und ein bisschen Abstand zu haben. Ich bin gerne mit dem Fahrrad an den Ricklinger Kiesteichen. Oder in der Eilenriede. Das ist super! Fünf Minuten und du bist im Wald. Der Maschsee ist direkt vor der Tür. Du hast so viele Möglichkeiten, innerhalb kürzester Zeit alles zu erreichen. Es sind immer 10–20 Minuten Fahrt mit dem Fahrrad. Es ist schon eine Großstadt, aber es ist alles doch ein bisschen beschaulicher und irgendwie ein bisschen provinziell. Wir sind eben nicht Berlin oder Hamburg, das ist einfach so.

Wie ist die Stimmung in der Stadt?

Ich glaube, das ist sehr stadtteilabhängig. Hier lässt es sich gut leben. Man muss einfach nur auf die anderen Leute zugehen und dann funktioniert das auch. Es ist entspannt, hier zu leben.

Gibt es ein Klischee über Hannover, das vollkommen falsch ist? Oder vielleicht vollkommen richtig?

Man sagt ja schon irgendwie, Hannover ist nur zum Durchfahren gut. Das hört man wirklich ganz oft. Aber die Stadt entwickelt sich wirklich. Man merkt, dass Hannover langsam in die Gänge kommt.

 

Mehr über das Café Schönwald findest du übrigens auf ihrer Homepage!

Ein Kommentar zu “Stadtkinder – Stefanie aus Hannover”

  1. Werde ich auf jeden Fall beim nächsten mal in Hannover besuchen!
    Ich mag Hannover ganz gern, was leider die wenigsten verstehen. :D