Stadtkinder: Guillermo aus Hamburg

Als ich kürzlich in Hamburg war, hat mich Guillermo Heinze in sein Holografie-Atelier mitten in einer Einfamilienhaussiedlung in Hamburg-Harburg eingeladen. Ein magischer Ort, den ich dort niemals erahnt hätte. Überall liegen lustige Gegenstände herum und futuristische, selbstgebaute Apparate stehen in den Ecken.

Guillermo selbst ist ein absolutes Stadtkind und wohnt mitten in Hamburg, nicht weit vom Hauptbahnhof auf der Langen Reihe. Für seine Arbeit braucht er jedoch absolute Ruhe, ein Grund, warum er sein Atelier in den Vorort verlegt hat. Was LSD-Trips, das Filmemachen und Santa Fe mit seiner Arbeit zu tun haben, das alles erfährst du im folgenden Interview.

Hi Guillermo! Du bist Holografiekünstler. Darunter können sich viele erst einmal nicht so viel vorstellen. Was macht ein Holografiekünstler?

Ein Holografiekünstler ist eigentlich ein Lichtkünstler, der mit Licht in der reinsten Form arbeitet. Man muss sich mit Chemie, Physik, Kunst und Wissenschaft, Elektronik, Glas- Holz- und Metallvearbeitung beschäftigen.

Du hast eben erzählt, dass in unserem Kaffee womöglich Albert Einsteins Moleküle herumschwimmen?

Sobald wir eine menschliche Gestalt annehmen und auf dieser Welt geboren werden, leihen wir im Grunde Materie vom Planeten aus, um zu existieren. Die Wassermoleküle auf diesem Planeten sind die selben, die schon hier waren, als das Leben begann. Daher kann es theoretisch durchaus passieren, dass du Einstein trinkst. Die Moleküle, die uns umgeben, sind seit jeher die gleichen.

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Du kommst ursprünglich aus Argentinien, hast lange in Köln gelebt und nun wohnst du in Hamburg. Wo ist für dich „zuhause“?

Das ist echt eine gute Frage. Ich werde nie vergessen, wie ich in Köln nur zwei Tage nach meiner Ankunft aus Argentinien zum ersten Mal zum Bäcker gegangen bin. Dort roch es wie die Küche meiner Oma in Argentinien, das war sehr verwirrend. Ich war so weit weg von dem, was damals mein zuhause war, und trotzdem hatte ich dieses Heimatgefühl.

Wegen der Holografie bin ich seither viel gereist, Jede Reise war sehr prägend für mich und gab mir die Kraft, an das zu glauben, was ich mache. Das koreanische Seoul, oder Tainan und Kaohsiung in Taiwan haben mich total beeindruckt und selbstbewusster gemacht. New York, Boston und Santa Fe in den USA waren auch sehr wichtige Punkte. Aber am Ende ist zuhause dort, wo ich Hologramme machen kann.

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Stimmt es, dass LSD dazu geführt hat, dass du Film studiert hast? Das wiederrum hat zu Holografie geführt? Die Story klingt spannend, erzähl mal!

Ich habe mit 18 Jahren meine erste LSD Erfahrung gemacht und sie öffnete mir die Wahrnehmung der Welt, sodass ich den Sinn des Lebens und des Universums verstand. Es war mir klar, dass das Universum als solches ein Hologramm war und dass die Schlüssel, um es zu verändern, direkt mit dem Geiste verbunden sind.

Aber zuerst musste ich selber diese von Menschen erschaffene Realität verstehen. Deswegen entschloss ich mich, Film zu studieren. Nach drei Jahren Filmstudium in Córdoba, Argentinien wusste ich, dass es genug war. Das Studium drohte, meine Wahrnehmung wieder in eine bestimmte Richtung zu lenken, die mir überhaupt nicht passte.

Ich entschloss mich, dort aufzuhören und nach Deutschland auszuwandern. Ich wollte unbedingt an einem Ort sein, wo ich nichts verstehe und ich frei bin, meine eigene Welt zu erschaffen. Ich ging zur Kunsthochschule für Medien in Köln, weil ich schon einmal gehört hatte, dass es dort ein Holografielabor gab.

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Was macht Hamburg für dich aus? Ist es ein Ort, dem du noch lange treu bleiben möchtest? Oder ist es nur eine Durchgangsstation?

Hamburg hat mein Herz erobert (trotz des harten Winters) und ich bin sehr glücklich hier. Es steht nicht fest, ob ich hier für immer bleiben werde, oder ob ich irgendwann woanders lebe. Das Leben ist ziemlich überraschend, wenn man offen bleibt.

Was ist Realität? Bin ich realer als ein Hologram? Was hat unsere Realität mit dem Filmemachen zu tun? 

Ha! Was Realität eigentlich ist, beschäftigt Wissenschaftler und Physiker auf der ganzen Welt! Wenn du mich fragst: Realität könnte absolut alles Mögliche sein, dass dein Geist, oder deine Wahrnehmung bereit ist, zu erleben – bewusst oder unbewusst. Alles besteht aus elektromagnetischen Wellen.

Film ist für mich ein Werkzeug, um die Realität besser zu verstehen. Wenn du Filme machst, musst du eine Art eigene Realität erschaffen. Dann musst du daraus Teile schneiden, die die Geschichte tragen, und so weiter. Ich glaube jeder von uns ist eine Art Regisseur, wir sind seit der Geburt mit Kameras und Mikros ausgestattet und schneiden ständig unseren eigenen Film des Lebens in unserem Kopf.

Die Passanten haben sogar das Hologramm angeschrien.

Viele gehen durchs Leben ohne dies zu erahnen, weil es so selbstverständlich ist und ein Teil von uns geworden ist, aber wenn man es sich bewusst macht, dann führt man wirklich Regie im eigenen Film. Wenn du open minded bist, wird deine Realität ziemlich bunt sein, voll mit kulturellem Austausch und fantastischen Freundschaften und Erlebnissen.

Wenn du aber eher eine konservative Wahrnehmung hast, wirst du nur das eine erleben, auf dem dein Fokus liegt, und alles andere wird an dir vorbeiziehen. It’s up to you. Ein Hologramm funktioniert genauso. Es gibt Menschen, die in einem Hologramm nichts sehen können, andere bekommen unglaubliche Farben zu sehen, alles hängt vom Betrachter ab. Also bleibe frei und open minded!

Dass mann sich mit solchen Gedanken als Lichtkünstler beschäftigt, hat übrigens damit zu tun, dass man einen tieferen Einblick in Prozesse und Ereignisse des Lichts bekommt. Licht ist das Wichtigste, was man im Universum finden kann. Aber natürlich hängt das auch von deiner Wahrnehmung ab.

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Ist Holografie magisch, Kunst oder reine Wissenschaft? Oder alles drei?

Ich glaube es ist alles drei… Holografie kam auf die Welt als reine Theorie, die nicht geprüft werden könnte, weil es damals keine Laser gab. Erst mit der Entdeckung des Lasers wurde es möglich, Hologramme zu machen. Die Welt hatte bis dahin noch nie so eine Darstellung gesehen und es wurde als Teufelswerk bezeichnet, zum Beispiel als in New York der Schmuckladen Cartier ein Hologramm von einer Hand voll Juwelen ans Fenster anbrachte. Die Passanten haben sogar das Hologramm angeschrien.

Ähnlich war es, als die erste Filme gezeigt wurden. Der legendäre Film einer Zugfahrt überraschte das Publikum so sehr, dass sie dachten, der Zug würde sie überfahren. Oder die ersten Versuche, Fotografie in einer Kunstausstellung zu zeigen. Von „Kunstkennern“ wurde es als technische Spielerei abgetan und nicht als Kunstform wahrgenommen.

So geht es mir heute mit der Holografie. Die Kunstwelt hat Angst davor, weil es ein Medium ist, das sie nicht so einfach verstehen können. Aber ich bin überzeugt, dass Licht die Zukunft der Kunst ist.

Holografie zu verstehen, ist sicher ein langer Weg. Was waren die wichtigsten Stationen für dich auf diesem Weg? 

Ich habe die Holografie als Künstler gelernt und mich damit auch so beschäftigt. Um Hologramme zu machen, muss man nicht all zu viel davon verstehen. Du musst ja auch kein Programmierer sein, um einen Computer zu benutzen. Aber wenn du mehr daraus machen willst, musst du tiefer in das „rabbit hole“ hinabsteigen. Ich habe viele Labors von Universitäten, Firmen und Künstlern besucht, um mehr zu lernen. Dabei habe ich mit Physikern, Mathematikern, Informatikern, Chemikern und Künstlern zu tun gehabt.

Das Wichtigste war für mich August Muth kennenzulernen. In 2012 war ich auf einer Holografie-Konferenz am MIT in Boston, wo ich ihn zum ersten Mal sah. Seine Arbeiten sind meiner Meinung nach, die hochwertigsten, die es gibt.

August war sehr offen und lud mich in sein Labor in Santa Fe, New Mexico, ein. Dort war ich die letzten drei Jahre immer wieder und habe viel gelernt. Mittlerweile stelle ich sogar selbst die notwendigen Filme her.

Wir sind hier gerade in deinem Hologrammlabor in Hamburg-Harburg. In einer Reihensiedlung, in einem kleinen Bungalow hinter den Wohnhäusern versteckt. Ein ziemlich magischer Ort, den man hier niemals erwartet hätte. Brauchst du die Ruhe? 

Ja! Ich brauche diese Ruhe. Um Hologramme zu machen braucht man totale Stille. Die minimalste Bewegung kann die Belichtung des Hologramms ruinieren. Hier entstehen seit 2014 meine Arbeiten und hier arbeiten wir auch an diversen Projekten, die ich zusammen mit meinem Laborpartner Swann Rack unter den Namen holocreators.com herstelle. Neben der Kunst mache ich nämlich auch kommerzielle Sachen.

Machst du zur Zeit vor allem Auftragsarbeiten oder freie Kunst?

Ich mache beides, ich arbeite an meinen Kunstprojekten und auch an Aufträgen. Wir entwickeln gerade eine neue Reihe von Schmuckhologrammen zum Anziehen und sind schon gespannt, wie es sich verkauft.

Aber so sehr kann man das nicht trennen, es gibt Motive, die ich als Kunstprojekte angefangen hatte, die aber als Schmuck perfekt funktionieren. Ich mag es, flexibel zu bleiben und nichts auszuschliessen. Ich würde mich über einen Kontakt zu einer Kunstgalerie, die meine Arbeiten verkauft, freuen. Dann könnte ich mehr Zeit in Kunstprojekte investieren und Sachen machen, die die Welt noch nie gesehen hat.

Du bist auch Holografie-Dozent ein einer taiwanischen Uni. Was bringst du den Studenten bei?

Ich unterrichte Holografie an der Kun Shan University in der Stadt Tainan, in Taiwan. Dort ist Holografie ein Bestandteil des Visual Communication Design Department und meine Studenten lernen, selber Hologramme zu machen. Bis 2013 bin ich immer einmal im Jahr für 2 Monate hingeflogen. Seit diesem Jahr kommen meine Studenten zu mir hier nach Hamburg.

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Bietest du auch Workshops für Interessierte an? Wo kann man sich bewerben?

Ja! Swann und ich bieten Holografieworkshops in unserem Labor an. Wir machen kleine Einführungskurse für alle, die Lust darauf haben. Wir arbeiten aber auch zusammen mit Künstlern an deren Projekten. Am besten ist es, du schreibst uns eine E-Mail, wenn du dich für einen Workshop interessierst.

Zu guter Letzt müssen wir nochmal die Kurve zu Hamburg bekommen. Welche spannenden Orte kannst du uns abseits der Touristenpfade empfehlen?

Zum Einkaufen geh ich gern zum Isemarkt in Eppendorf, dort findet man leckere Sachen, von Landwirten aus der Region, frisch und lecker! (Ein Geheimtipp meiner besten Freundin Eva). Zum Entspannen mag ich den Jenischpark in Blankenese, da kommt man gut mit der Fähre hin.

Einen Kaffee trinke ich am liebsten im Gnosa Café auf der Lange Reihe, hier in Sankt Georg. Abends gehe ich gern ins Cube (auch auf der Langen Reihe) zur Happy Hour was trinken. Aber ich verbringe so viel Zeit wie möglich im Labor, dort bin ich sehr glücklich!

Welche drei Dinge liebst du an Hamburg? Welche drei Dinge gehen dir hier richtig auf den Sack?

Ich liebe meinen Freund, die Wasserflächen und die grüne Stadt. Mich nerven das kalte Wetter, den „overdressed Style“ und die aggressive Atmosphäre im Hauptbahnhof.

Danke, Guillermo :)

Gerne, möge das Licht mit allen Lesern sein! ;-D

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Fotos: Benjamin Chimoy